Gilt der Quellenschutz im Pressegesetz nicht mehr?
Kriminalpolizei Luxemburg amtierte gestern mit Hausdurchsuchungsbefehl in der „Contacto“-Redaktion
VON JOSEPH LORENT
Als eine große, in internationalen Medienkreisen hoch anerkannte Errungenschaft des Gesetzes vom 8. Juni 2004 über die Freiheit der Meinungsäußerung in den Medien gilt der Quellenschutz für Journalisten.
Zum besseren Verständnis – auch der Gerichtsinstanzen – sei daher Artikel 7 des vorgenannten Gesetzes kurz in Erinnerung gerufen. Im ersten Ansatz heißt es, dass jeder Journalist, der durch eine Verwaltungs- oder Justizbehörde im Rahmen eines Verwaltungs-oder Gerichtsverfahrens als Zeuge angehört wird, das Recht hat, quellenidentifizierende Informationen sowie den Inhalt von Informationen, die er erhalten oder gesammelt hat, zu verweigern. Weiter besagt das Gesetz, dass Polizei-, Justiz- oder Verwaltungsbehörden keine Maßnahmen anordnen oder ergreifen dürfen, die darauf abzielen oder dazu führen, dieses Recht zu umgehen, insbesondere durch eine Durchsuchung oder Beschlagnahme am Arbeitsplatz oder in der Wohnung des betreffenden Journalisten oder von bestimmten anderen Personen.
Zudem bestimmt das Gesetz in Artikel 7.4, dass selbst wenn die quellenidentifizierenden Informationen auf rechtmäßige Weise erlangt wurden, die nicht der Feststellung der Identität einer Quelle zum Gegenstand oder Ziel hatte, diese Informationen nicht als Beweis im Rahmen eines weiteren Gerichtsverfahrens verwendet werden dürfen. Abweichend von den vorgenannten Bestimmungen kann weder der Journalist noch eine andere Person, die durch ihre beruflichen Beziehungen mit einem Journalisten Kenntnis von quellenidentifizierenden Informationen erhalten hat, den Quellenschutz in Anspruch nehmen, wenn die Maßnahme der Polizei-, Justiz- oder Verwaltungsbehörden die Verhütung, Verfolgung und Bestrafung von Verbrechen gegen Personen, von Drogenhandel, Geldwäsche, Terrorismus oder Gefährdung der Staatssicherheit betrifft.
Weiß man um diese demnächst seit fünf Jahren geltenden eindeutigen Gesetzesbestimmungen, dann darf und muss man sich unweigerlich die Frage stellen, wieso es möglich ist, dass gestern Donnerstag gegen 10 Uhr ein Hauptkommissar und ein Kommissar der Kriminalpolizei Luxemburg, begleitet von einem Computerspezialisten der Abteilung „Nouvelles Technologies“, in unserem Verlagsgebäude in Gasperich mit einem untersuchungsrichterlichen Hausdurchsuchungsbefehl in Gasperich vorstellig wurden. Laut Ordonnanz vom 30. März 2009 sollten sie in der Redaktion der in portugiesischer Sprache erscheinenden Wochenzeitung „Contacto“ eine Hausdurchsuchung, Beschlagnahme und Notifizierung vornehmen.
Am Ursprung dieses untersuchungsrichterlichen Intermezzos steht eine am 17. Dezember 2008 im „Contacto“ veröffentlichte Reportage über zwei Fälle von Sorgerecht über Kinder. Wegen dieses Artikels hatte am 28. Januar 2009 ein Sozialassistent bei der Staatsanwaltschaft Luxemburg wegen Verstoßes gegen Artikel 38 des Jugendschutzgesetzes vom 10. August 1992 und wegen Verleumdung geklagt. Quellenschutz hin, Quellenschutz her: Nach rund 40 Minuten zogen die Kriminalbeamten von dannen mit dem Notizblock des Journalisten und 18 Seiten redaktionellen Unterlagen, einer Informatikkartei und einer CD mit dem Artikel in Pdf-Format.
Läuft es so im Rechtsstaat Luxemburg?
Luxemburger Wort, 08.05.2009 (seite 26)
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